Eine große Künstlerin und Naturwissenschaftlerin

Der Dschungel muss die Hölle gewesen sein. Wer sich heute in den äquatorialen Urwald begeben will, hat schon mit einer Menge Probleme zu kämpfen, von denen die Hitze, undurchdringliche Wildnis und Heerscharen an Insekten nur die Auffälligsten sein dürften. Und wir haben zumindest einige moderne Hilfsmittel, die einen solchen Trip ein wenig erträglicher machen. Anders dürfte es um die Jahrtausendwende zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert gewesen sein. Natur pur – und dies an einem der wohl am Schwersten zugänglichen Orte der Welt.

Merian: Banane mit Schmetterling Merian: Ananas mit Schmetterlingen Merian: Banane mit Echse
Ihre Forschung im Dschungel von Surinam brachte Merian neben ihren Bildern viele neue Erkenntnisse: So war sie die Erste, die die Metamorphose der Raupe zum Schmetterling dokumentierte. Bis dahin waren die Gelehrten des Mittelalters der Ansicht, dass Schmetterlinge aus Tautropfen entstehen und die Seelen von Verstorbenen tragen. (Fotos: Kunstkabinett Strehler)

Talent für Blumenmalerei

Keine ganz einfache Aufgabe für die damals schon in den 50ern befindliche Maria Sibylla Merian (1647-1717). Und ich spreche dabei keineswegs die Vorurteile an, die damals ja gegenüber Frauen noch um Einiges schlimmer waren als heute. Aber Merian war schon immer ein wenig anders als andere Frauen damals. Künstlerisch äußerst begabt, erhielt sie frühe Förderung durch ihren Stiefvater Jacob Marrel – damals ein ebenfalls erfolgreicher Künstler und Kunsthändler. Sie beschäftigte sich viel mit der Blumen- und Stillebenmalerei. Und übertraf schon bald mit ihren Blumenmalereien und Kupferstichen die Kunst ihrer Lehrer. Mein Favorit ist natürlich ihre Fliederdarstellung – ein handkolorierter Kupferstich, den ich im Kunstkabinett Strehler aufgestöbert habe. Neben den Blumen galt ihre große Leidenschaft den Insekten. So züchtete sie früh Seidenraupen und beobachtete die Entwicklung der Tiere. Aus diesem für die damalige Zeit eher ungewöhnlichen Faible – Insekten waren niederste Lebensformen, die für viele Gelehrte der Beobachtung nicht wert waren – stammten zwei Werke, die die Naturwissenschaften revolutionierten. Einerseits das Buch, „Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung“ (1679 und 1683), sowie das „Metamorphosis insectorum Surinamensium“ (lat.: Verwandlung surinamesischer Insekten, 1705), das hauptsächlich aus ihren Beobachtungen im oben bereits angesprochenen Dschungel der damaligen niederländischen Kolonie entstand.

Merian_500_DMark

Später Ruhm: Maria Sibylla Merian war, gemeinsam mit einem ihrer geliebten Insekten, auf den neueren 500-DMark-Scheinen abgebildet.

Ausstellung in Berlin und Frankfurt

Ein sehr detailliertes Werk, vor allem auch durch die Zeichnungen Merians, die darin verarbeitet wurden. Und das so einen bedeutenden Beitrag für die Naturwissenschaften geleistet hat. Was zumindest posthum – wenn auch erst einige Jahrhunderte später – anerkannt wurde: Merian war auf den neueren 500-DMark-Scheinen abgebildet. Beinahe schade, dass wir jetzt den Euro haben, oder? Zumal ihr Antrieb, sich gegen gesellschaftliche Konventionen durchzusetzen, nach wie vor höchste Bewunderung verdient. Daher war es für mich Ehrensache, dass ich, als ich vom 13. bis 16. Mai beruflich in Berlin unterwegs war, eine Stunde meines engen Zeitfensters abgeknappst habe, um mir die Ausstellung „Maria Sibylla Merian und die Tradition des Blumenbildes“ anzusehen, die noch bis zum 02.07.2017 im Staatlichen Museum zu sehen war. In Zusammenarbeit mit dem Städel Museum in Frankfurt konnte man dort rund 150 Werke der Künstlerin auf Papier und Pergament – meiner Meinung nach auch unabhängig vom Flieder für jeden Pflanzenliebhaber ein echtes Muss! Falls Sie Interesse bekommen haben, sich die Ausstellung selbst anzusehen, haben Sie übrigens Glück: Ab dem 11. Oktober bis zum 14. Januar 2018 wird das Städel Museum die Ausstellung noch einmal zeigen. Mal sehen, ob ich nicht noch einmal die Zeit finde, dort hinzugehen…

Merian: Morpho 60 Merian: Raupentitelkranz Merian: Johannisbeerblüte
Pflanzen waren für Merian in ihren Arbeiten vor allem als Futter-Quellen interessant. Auf jedem Kupfersich ist immer eine Wirtspflanze mit den dazugehörigen Insekten abgebildet. (Fotos: Kunstkabinett Strehler)

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