Erinnern Sie sich noch an die niederländische Fliedertreiberei Maarse? Ich hatte Ihnen den Namen kurz einmal vorgestellt, als es um eine wunderschöne Fliedermutation ging – die „Sensation“. Einige Pflanzen einer alten und etablierten Fliedersorte hatten sich praktisch über Nacht an einem Spross verändert. Anstelle der eigentlich erwarteten vollständigen Lilafärbung wiesen die Blüten dieses Sprosses einen weißen Rand auf. Eine neue Fliedersorte war geboren.
Mutationen bei Maarse
Nun sollte man denken: „Ein einmaliger Zufall. So etwas passiert der gleichen Firma nicht noch ein zweites Mal!“ Aber Sie ahnen es sicherlich schon. Genau das ist der Fall! Wir springen nach der Entdeckung der „Sensation“ elf Jahre weiter in das Jahr 1949. Die Fliedersträucher der Sorte Marie Legraye – übrigens eine wunderschöne weiße Schnittfliedersorte, von der Sie hier mit Sicherheit auch noch mehr lesen werden – kommen in ihre Blütephase. Und einige Pflanzensprosse scheinen nicht in einem strahlendem Weiß zu blühen, sondern in einem cremefarbenen Gelb. OK. Ein Problem der Belichtung, werden sie bei Maarse damals vermutlich gedacht haben. Auch wenn der eine oder andere langjährigere Mitarbeiter eventuell bereits da nur wissend den Kopf geschüttelt haben dürfte. Natürlich änderte sich auch bei veränderter Belichtung nichts an der Blütenfarbe der „Lovely Lilac“. Der erste cremegelbe Flieder war geboren.
„Sports“ in der Biologie
Eine Veränderung, die rein biologisch betrachtet übrigens gar nicht so selten ist. Zumindest häufig genug, um ihr einen eigenen Namen zu geben: Wir nennen so etwas einen „Sport“. Wobei die Veränderungen nicht zwangsläufig farblich sein müssen. Viele Kletterrosen beispielsweise sind natürliche Mutationen von „normalen“, nicht kletternden Rosen. Vielmehr muss die Mutation innerhalb des bereits wachsenden Pflanzenkörpers stattfinden und nicht bereits auf zellulärer Ebene passiert sein. Was ich dabei persönlich am Spannendsten finde: Diese Mutationen passieren total zufällig und können jederzeit auftreten. Natur in ihrer reinsten Form! Auch wir hatten bereits solche Fälle von spontanen Veränderungen bei Sprossen. Wenn auch lange nicht so spektakulär, wie bei der „Sensation“ oder bei unserer neuen „Lovely Lilac“.
Doch kein „Yellow Wonder“?
Kommen wir nach dem kurzen Ausflug in die Biologie aber wieder in das Jahr 1949 zurück. Die Leute von Maarse finden in ihrem Gewächshaus erneut einen spektakulären „Sport“: Wie also die Pflanze benennen? Marketing war ja auch damals schon schwer angesagt, auch wenn vermutlich deutlich weniger Menschen als heute etwas mit dem Begriff an sich anfangen konnten. Und das Marketing neigt zu Übertreibungen. Zu beiden Seiten des Sprachspektrums: Hielten die Zeitgenossen den Begriff „Sensation“ für die erste zweifarbige Fliederpflanze noch für gerechtfertigt. Die Bezeichnung „Yellow Wonder“, unter dem der neue Flieder in der britischen Zeitschrift „The Gardeners‘ Chronicle“ vorgestellt wurde, erschien den Verantwortlichen dann im Nachhinein aber wohl doch als eine Nummer zu hochgegriffen. Was machen wir also? Nennen wir die Pflanze halt „Primrose“, also nach dem englischen Wort für Primel. Nach einer, entschuldigen Sie den Ausdruck, Feld-, Wald- und Wiesenpflanze, die zufällig auch gelb blüht!
Zu viel Understatement
Dieses „Understatement“ wird dem Flieder absolut nicht gerecht. Überzeugen Sie sich selbst in unserem Shop. Und pflanzen Sie danach die „Lovely Lilac“ doch einmal neben eine blaue, violette oder auch eine weiße Sorte. Das Gelb ihrer Blüten bietet dann einen wunderschönen Kontrast zu den anderen Farben. Und liegt damit, zumindest meiner Meinung nach, deutlich näher am „Gelben Wunder“ als an der Primel.
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